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Breite Erläuterungen zum Medienstaatsvertrag und anderenn Normen
13. Juni 2024
Reinhart Binder, Thomas Vesting (Hrg.), Beck'scher Kommentar zum Rundfunkrecht - Medienstaatsvertrag, Jugendmedienschutz-Staatsvertrag, Rundfunkbeitragsstaatsvertrag, Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag, Verlag C.H.Beck, München 2024, 269,00 €.
"Ganz im Sinne der öffentlich-rechtlichen Sender" sei das Handbuch zum Rundfunkrecht jedenfalls dort, wo das Recht des Rundfunkbeitrages kommentiert wird: Da seien aktuelle und einstige ARD-Mitarbeiter, die im Sinne ihres Arbeitgebers mit Schlagseite kommentieren würden (FAZ vom 4. Juni 2024). Das mag vielleicht schon wegen des Gegenstands des Beitragesrechts als Finanzierungsgrundlage der öffentlich-rechtlichen Anstalten so sein, die Kritik gilt aber keineswegs für das Gesamtwerk in der neuen Auflage. Zwar war auch hier bei der Erstauflage 2002 überpointiert angemerkt worden, vielleicht handele es sich um einen "ARD-Kommentar zum Rundfunkrecht", aber die Kommentierung hat sich weiterentwickelt.
Lesenswert sind die einführenden Gedanken des Mitherausgebers Vesting zu den Entwicklungslinien der Rundfunkordnung - kommend von der Nachkriegszeit, dem Hinzutreten des Privatfunks und inzwischen dem Versuch, die Digitalisierung zu bewältigen. Nach wie vor, so die kritische Sicht, stehe das Lineare im Vordergrund. Die Begriffe wie Oberflächen, Plattformen und Intermediäre seien notwendigerweise unscharf, was die Detailkommentierung der Begriffsbestimmungen dann später belegt. Ganz in diesem Sinn wird die Überlegung angestellt, dass die Programmvielfalt als Zielpunkt der Medienregulierung ausgedient hat, die Meinungsvielfalt stehe nun im Vordergrund, was eben andere Maßnahmen erfordere.
Die Kommentierung ist breit und knüpft an den nationalen Regelungen an. Im Kern steht der Medienstaatsvertrag (MStV), der als "Mantel" auch für die landesgesetzlichen Regelungen beschrieben wird. Es schließen sich der Staatsvertrag zum Jugendmedienschutz (JMStV), der bereits erwähnte Staatsvertrag zum Rundfunkbeitrag sowie der Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag (der mit dem KEF-Verfahren) an. Es bietet sich wie stets bei einer derart breiten Kommentierung ein Blick in einzelne Regelungsbereiche an. Der erste Blick soll in die Werbebestimmungen des MStV gehen. Zur verbotenen politischen, weltanschaulichen und religiösen Werbung einerseits und der erlaubten Werbung für Wohlfahrtszwecke (Social Advertising) sind die Ausführungen vergleichsweise kurz. Aus regulatorischen Vogelperspektive ist das nachvollziehbar. Der Praktiker stellt angesichts von Beanstandungen durch die Medienanstalten und mit Blick auf die aktuelle Rechtsetzung der Union zu politischer Werbung eine ganze Reihe weitergehender Detailfragen. So wird beschrieben, dass das Verbot der politischen Werbung der Trennung von Werbung und sonstigem Programm dient, sozusagen von der anderen Seite: Gegenstände der Politik sollen in der redaktionellen Verantwortung der Programmmacher liegen und nicht meistbietend im Werbeblock verkauft werden. Werbung für beispielsweise die Bundeswehr sei zulässig, was im als Regelungsgrund von Social Advertising gesehen wird. Dass politische Meinungen auf gekauften Sendeplätzen transportiert werden sollen, ist ein vergleichsweise geringes praktisches Problem, beachtlicher sind Werbeaufträge der staatlichen Exekutive: Ist das als sachliche Information zulässig? Oder ist das politische Meinungsmache für den jeweiligen Amtsträger und seine politische Mannschaft auf Kosten des Steuerzahlers und damit unzulässig? Die Fragestellung deutet darauf hin, dass das weniger ein Problem des Medienrechts ist, sondern allgemein die staatliche Öffentlichkeitsarbeit berührt. Die Frage, warum die Medienaufsicht im Rundfunk Schiedsrichter sein soll für Sachverhalte, die ohne Beanstandung auch auf der Litfaßsäule stehen (und natürlich des Citylight-Poster), erschließt sich nicht. Zutreffend kritisiert die Kommentierung die Rechtsprechung des BVerwG zur Platzierung von Social Advertising neben den Werbeblöcken. Es gehe doch eigentlich um die Erkennbarkeit, dass ein Inhalt werblich und nicht Programmbestandteil ist, wird der Rechtsprechung gegenüber eingewandt. Die hat der Praxis Probleme bei der Kennzeichnung eingebrockt, die gerade bei Audiomedien, bei denen man nirgendwo ein Logo einblenden kann, besonders offen zu Tage treten.
Die Kommentierung befasst sich mit dem Verbot der Auseinanderschaltung bundesweiter Programme für Werbung. Die vom BVerwG stammende Judikatur, wonach Werbung nicht Bestandteil des Programms sei, wird kritisiert und auf die spätere Reparatur durch den Gesetzgeber hingewiesen. Das Verfahren von P7S1 vor dem EuGH und dem LG Stuttgart wird erwähnt und die Kritik an dieser zivilrechtlichen Perspektive gerügt. Neuerdings liegt (noch unveröffentlicht) eine neue Entscheidung des VG Berlin die auf der gleichen Linie des Gerichtes, das die Verbotsbestimmung im MStV für rechtmäßig und anwendbar hält - auch hier wird zukünftig das BVerwG entscheiden.
Man schaut weiter in die Plattformregulierung des MStV, bei der die Kommentierung bemüht ist, jedenfalls Konturen in die Unschärfe zu bringen. Allerdings trifft hier in besonderer Weise zu, was Vesting in Bezug auf den DSA in der Einführung schreibt: Wir haben ein "nicht einfaches" Verhältnis von europäischer und mitgliedsstaatlicher Medienregulierung. Der DSA betrifft das Verhältnis von Plattformen zu Endnutzern, der DMA das Verhältnis zu den Medienunternehmen auf eher kartellrechtlicher Ebene. Die P2B-Verordnung (Plattform to Business) ist ebenfalls zu beachten (die komischerweise ziemlich oft vom Radar verschwindet, wenn über Ranking und Transparenz diskutiert wird). In diesem Frühjahr ist der EMFA im europäischen Amtsblatt erschienen, was eine ganze Reihe der kommentierten Themen tangiert, nicht zuletzt auch die Verwendung staatlicher Werbemittel in Medien. Der AI-Act soll in diesen Tagen im finalen Text vorliegen und es ist absehbar, dass viele Medienangebote, die KI nutzen, in die erste (unterste) Kategorie des risikobasierten Regulierungsansatzes fallen und daher den Einsatz kennzeichnen müssen - ob die Mitgliedsstaaten im Rahmen von Vielfaltsanforderungen oder Regelungen zu Sorgfaltspflichten bestimmte Angebote im Sinne einer strengeren Regelung untersagen können, ist nach bisheriger Analyse zumindest sehr fraglich. Ach ja - just an dem Tag, an dem der neue Kommentar geliefert wird, erscheint auf der einen oder anderen Parkbank der erste Text für den 5. MÄStV, also den lang erwarteten Staatsvertrag zu Aufgaben, Struktur, Kontrolle und Mittelverwendung beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Bei all der Aktivität in den letzten Monaten ist absehbar, dass die sechste Auflage der Kommentierung nicht auf sich warten lässt. Und sie wird schon wieder in vielen Details deutlich anders aussehen.
Release 13. Juni 2024, 12:53 - OR