Literaturhinweis

Kommunikationsdeliktsrecht

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Durch Kommunikation können Rechte anderer verletzt werden.

7. April 2020

Jan Oster, Kommunikationsdeliktsrecht, Beiträge zum ausländischen und internationalen Privatrecht, Mohr Siebeck, Tübingen 2019, 99,00 €.

Das Werk befasst sich mit dem Kommunikationsdeliktsrechts, einem Teilgebiet des Informations- und Kommunikationsrechts, am Beispiel des deutschen, englischen und amerikanischen Rechts. Im Mittelpunkt der Untersuchung steht der privatrechtliche Ehrschutz. Hier werden Möglichkeiten herausgearbeitet, wie internationale Vereinheitlichungen ausgestaltet sein könnten und wo deren Grenzen liegen. Eine entscheidende Bedeutung kommt hierbei dem Internationalen Privatrecht zu, da oftmals an Rechtsvereinheitlichungen fehlt. Es geht um Fragen der internationalen Zuständigkeit und des anwendbaren Rechts.

Gegenstand der Untersuchung ist der Begriff des Kommunikationsdeliktsrechts, der durch den Verfasser geprägt wurde. Mittels Kommunikation können Rechte anderer verletzt werden, beispielsweise wenn der Inhalt der Kommunikation beleidigend ist oder die Privatsphäre oder das Urheberrecht verletzt. In diesen Fällen sollte das Kommunikationsdeliktsrecht zum gesonderten Gegenstand der deliktsrechtlichen Forschung gemacht werden, weil es hier deutliche Unterschiede zu Delikten physischer Natur wie Körperverletzungen oder Sachbeschädigungen gibt. Beim Kommunikationsdeliktsrecht sind häufig grenzüberschreitend zugängliche, jedoch physisch nicht fassbare und damit schwer lokalisierbare Kommunikationsvorgänge betroffen, bei denen der besondere Einfluss der Meinungs-, Medien- und Informationsfreiheit berücksichtigt werden muss. Die Untersuchung möchte zur Theorie und Dogmatik eines transnationalen Kommunikationsdeliktsrechts beitragen.

Der Schwerpunkt des Werks liegt bei der Rechtsvergleichung des privatrechtlichen Ehrschutzes. Es wird im dritten Kapitel deshalb zunächst untersucht, wer nach den verschiedenen Rechtsordnungen überhaupt Ehrträger sein kann. Den untersuchten Rechtsordnungen ist gemein, dass sie die Ehre lebender natürlicher Personen schützen. Im Übrigen herrscht jedoch große Ungleichheit. So ist in Deutschland beispielsweise ein postmortaler Ehrschutz in einem beschränkten Umfang anerkannt, was im englischen Recht nicht der Fall ist. Problematisch und unterschiedlich bewertet werden auch die Antworten auf die Fragen, inwieweit juristische Personen Ehrschutz genießen können oder ob es eine Beleidigungsfähigkeit von Gruppen und Kollektiven gibt.

Der Ehrschutz konkurriert mit anderen Rechten. So ist ein zum Persönlichkeitsrecht gleichwertiges Grundrecht die Kommunikationsfreiheit, keines der beiden Rechte kann Vorrang gegenüber dem anderen beanspruchen. Vielmehr bedarf es einer Abwägung. Wie das analytische Instrument der Abwägung ausgestaltet sein muss, erläutert die Untersuchung in einem gesonderten Kapitel.

Liegt eine Ehrbeeinträchtigung vor, sehen die verschiedenen Rechtsordnungen unterschiedliche Rechtsfolgen vor. Als übliche Instrumente zur Rechtsverfolgung stehen Ansprüche auf Unterlassung, Gegendarstellung, Folgebeseitigung und Schadensersatz zur Verfügung. Seit Neuestem gewinnt bei der Rechtsverfolgung nach Auffassung des Autors immer mehr das Datenschutzrecht an Bedeutung, da personenbezogene Daten auch ehrverletzende Daten sein können. Nach dem EU-Datenschutzrecht kann jede betroffene Person von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen insbesondere die Berichtigung, Löschung oder Sperrung von unvollständigen oder unrichtigen Daten verlangen. Bei nicht erwiesen unvollständigen oder unrichtigen Informationen, bei bewiesen wahren Informationen sowie bei Werturteilen ist hier aber eine Abwägung der widerstreitenden Interessen erforderlich. Diese Position wurde indes zwischenzeitlich vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung "Recht auf Vergessen I" vom 6. November 2019, Az. 1 BvR 16/13 anders gesehen. Das Bundesverfassungsgericht betont in dieser Entscheidung die Eigenständigkeit des Äußerungsrechts gegenüber dem Datenschutzrecht. Es sieht das Äußerungsrecht als Ausfüllung des Gestaltungsspielraums des nationalen Gesetzgebers im Rahmen des Art. 85 DSGVO, wonach das Äußerungsrecht den speziellen Behelfen des Datenschutzrechts vorgeht.

Ein eigenes Kapitel widmet das Werk außerdem der Haftung von Kommunikationsintermediären. Unter Kommunikationsintermediären versteht man denjenigen, der keine eigenen Inhalte anbietet, sondern lediglich fremde Inhalte weitergibt und so Dritten die Möglichkeit verschafft, von der Information Kenntnis zu nehmen. Zu berücksichtigen sind bei der Intermediärshaftung ebenfalls wiederum verschiedene Interessen, namentlich die Kommunikationsfreiheit des Inhalteanbieters, das korrelierende Recht des Empfängers, diese Information zu erhalten und das Recht des Ehrträgers auf Schutz seiner Ehre. Daneben stehen die Rechte des Intermediärs selbst, nämlich seine unternehmerische Freiheit sowie die Freiheit, Ideen und Informationen zu verbreiten. Die Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass ein Kommunikationsintermediär für ursprünglich fremde Inhalte dann verantwortlich ist, wenn ihm diese als eigene zugerechnet werden können. Das kann dann der Fall sein, wenn er sie als eigene übernimmt, redaktionelle Kontrolle über Inhalte Dritter ausübt oder bei der Kundgabe der Inhalte Dritter eine aktive Rolle spielt, die ihm eine Kenntnis der Information oder eine Kontrolle über sie verschaffen konnte. Für Inhalte Dritter, die dem Kommunikationsintermediär nicht als eigene zugerechnet werden können, ist er hingegen grundsätzlich nicht verantwortlich. Die Intermediäre haben hier dennoch Pflichten zu treffen und Verantwortung zu tragen. Bei Verstößen hiergegen, kann im deutschen Recht dann beispielsweise die Störerhaftung zum Tragen kommen.

Autorin: RAin Bianca Borzucki, Mitarbeiterin der Kanzlei Prof. Dr. Ory.

Release 7. April 2020, 13:37 - OR