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Erläuterungen wenige Wochen nach dem Inkrafttreten des Gesetzes.
24. Juli 2023
Martin Reufels, Laura Soltysiak, Das neue Whistleblowing-Recht - Das Hinweisgeberschutzgesetz in der betrieblichen und behördlichen Praxis, Nomos Verlag, Baden-Baden 2023, 49,00 €.
Personenbezogene Daten sind geschützt, Geschäftsgeheimnisse sind geschützt und Whistleblower auch. Das Hinweisgeberschutzgesetz HinSchG bringt das alles auf die Reihe. Es beinhaltet rechtliche Regelungen und vor allem Handlungsanweisungen, die Unternehmen einzuhalten haben, um ein geordnetes System zur Abgabe und Entgegennahme von Hinweisen zur Verfügung zu stellen, die auf Missstände aufmerksam machen. Whistleblower ist vielleicht ein Modewort, Denunziant wäre arg abwertend - mit "Hinweisgeber" versucht es der Gesetzgeber neutral. Hinweisgeber sollen geschützt, ihr Tun aber auch gewissermaßen kanalisiert werden, um die Rechte Betroffener zu schützen. Wenige Wochen nach dem Inkrafttreten der neuen gesetzlichen Regelungen liegt nun aus der Praxis-Reihe von Nomos eine erste Handreichung vor.
Der Gang der Gesetzgebung - Deutschland hat eine entsprechende Richtlinie der EU ziemlich verspätet umgesetzt - wird dargestellt. Dann geht es um den persönlichen Anwendungsbereich des HinSchG, das sind Hinweisgeber aber auch die Personen, die Gegenstand einer Meldung sind. Der "Beschäftigungsgeber", also das Unternehmen, aus dessen Bereich heraus ein Missstand gemeldet wird, hat sowohl den Whistleblower zu schützen, darf ihn etwa nicht sanktionieren, als auch den Betroffenen, der ja möglicherweise zu Unrecht an den Pranger gestellt würde.
Wichtig nachzulesen ist, dass Meldungen zunächst bei einer intern einzurichtenden Stelle des Unternehmens (jedenfalls bei Unternehmen ab 50 Beschäftigten) oder einer externen Meldestelle zu erfolgen hat. Extern ist zum Beispiel die Meldestelle des Bundes, die beim Bundesamt für Justiz angesiedelt ist. Erst wenn von dort keine Reaktion kommt, darf sich der Whistleblower an die Öffentlichkeit wenden und Informationen offenlegen. Aber auch das ist eingeschränkt und es gilt etwa das Verbot der Offenlegung unrichtiger Informationen - ein aus dem Äußerungsrecht bekanntes Problem. Ein Whistleblower würde zum Denunziant, wenn er sich darüber hinwegsetzt, er würde seinen Schutz verlieren.
Wesentlich ist auch der sachliche Anwendungsbereich des Gesetzes, denn nicht jedes Ungemach, das ein Whistleblower verspürt, ist ein Missstand, wegen dessen die Schutzvorkehrungen des HinSchG eingerichtet sind. Es geht um Verstöße gegen den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Union, gegen Binnenmarktvorschriften und ähnlich wesentliche Rechtsverstöße.
Fazit: Der angehende Whistleblower sollte sich nicht nächtens vor den Rechner setzen und bei Facebook posten. Er sollte vielleicht mit anwaltlicher Hilfe prüfen, ob der von ihm entdeckte Missstand rechtlich relevant ist und unter das Gesetz fällt. Das Prozedere sollte peinlichst genau eingehalten werden. Nur dann ist man als Whistleblower geschützt. Für Unternehmen ("Beschäftigungsgeber") ist wichtig, dass ein interner Meldeweg zur Verfügung gestellt wird, der den gesetzlichen Kriterien entspricht. Das kann als Chance begriffen werden, sich compliant zu verhalten und zugleich interne Handlungen zum Nachteil des Unternehmens aufzudecken. Für die Medien, die auf Informationen angewiesen sind, ändert sich auf den ersten Blick wenig: Der Schutz von Informanten und die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung, bei der eine besondere Sorgfaltspflicht gilt, werden von dem neuen Gesetz nicht berührt, das ist journalistisches Tagesgeschäft.
Release 24. Juli 2023, 13:26 - OR